Feierabendziegelausstellung im Heimatmuseum Plieningen 26.09.2019 bis Ende 2020

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Sagt man jemandem einen "Dachschaden" nach, so meint man damit, dass er nicht ganz richtig im Kopf sei. Freilich sagt man auch: "Je größer der Dachschaden, desto freier die Sicht zum Himmel". Selbst auf die Gefahr hin, "eine aufs Dach zu bekommen", doch noch einmal das Thema Dach:


Die Redewendung "Jemandem aufs Dach steigen" bedeutete in germanischer Zeit, jemandem, der die gesetzlichen oder allgemein moralischen Regeln verletzt hatte, das Dach abzudecken, um ihn damit öffentlich bloßzustellen.


Das Dach eines Hauses war also von der Frühzeit an, auch mit dem Ansehen des Hausherrn verbunden. Das Dach war also zwar immer ein funktionaler oberer Abschluss von Außenwänden zum Schutz vor der Witterung, aber eben nicht nur: es war auch eine Repräsentation des Hausbesitzers. So nimmt es nicht wunder, dass dem Dach von Häusern eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Freilich war ein repräsentatives Dach auch eine kostspielige Angelegenheit.

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Das Dach eines Hauses war also von der Frühzeit an, auch mit dem Ansehen des Hausherrn verbunden. Das Dach war also zwar immer ein funktionaler oberer Abschluss von Außenwänden zum Schutz vor der Witterung, aber eben nicht nur: es war auch eine Repräsentation des Hausbesitzers. So nimmt es nicht wunder, dass dem Dach von Häusern eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Freilich war ein repräsentatives Dach auch eine kostspielige Angelegenheit.


Die günstigeren Rohr- und Schindeldächer mussten in kurzen Zeitintervallen aufwändig gepflegt werden und waren zudem sehr brandgefährdet, repräsentative Schiefer- und Metalldächer konnten sich allerdings nur sehr reiche Leute, Adelige und Klöster leisten und die Dacheindeckung mit Ziegeln war zwar bei den Römern schon weit verbreitet, ist aber im Frühen Mittelalter nur noch selten genutzt worden. Lediglich für die Reichen und Mächtigen war die Ziegeleindeckung eine Alternative zum Schiefer- oder Metalldach.


Dies änderte sich im 14./15. Jahrhundert. In den engen Städten setzte sich wegen der wesentlich geringeren Brandgefahr die Ziegeleindeckung durch. Im Laufe des 16./17. Jahrhunderts wurde die Ziegeleindeckung, zumeist mit Biberschwanzziegeln, in weiten Teilen Deutschlands üblich.


Das hatte auch wirtschaftliche Folgen. Allmählich entstanden neben den fahrenden Zieglern, die von Baustelle zu Baustelle zogen und auf Bestellung die Ziegel für den Bau herstellten, auch feste Ziegeleien, die an günstigen Standorten Dachziegel auf Vorrat produzierten und diese dann an die Bauherren verkauften. Und als schließlich im 19. Jahrhundert die Industrialisierung einsetzte verdrängten industriell gefertigte Ziegel die handwerkliche Herstellung der Ziegel.


In jener Zeit, in der die Ziegel jedoch handwerklich gefertigt worden sind, war die Ziegelherstellung eine aufwändige Angelegenheit. Man grub den Ton aus, sumpfte ihn in Gruben ein oder schichtete ihn in Hügeln auf und ließ ihn einen Winter durchfrieren. In manchen Gegenden lagerte der Ton sogar zwei Winter hindurch, um anschließend erhitzt, zerstampft, zerkleinert und mit Wasser durchgeknetet zu werden. Diesen halbplastischen Tonkuchen drückte man mit der Hand in eine Holzform und strich diese mit einem Brett oder der Hand andHab. Der so entstandene Rohling trocknete dann mindestens einen Sommer lang an der Luft im Schatten. Danach wurde er in Feldbrandöfen gestapelt und darin allmählich auf hoher Temperatur gebrannt. Nach dem Brand wurde das Material langsam abgekühlt.


Dieser beschriebene Arbeitsablauf zog sich über einen Zeitraum von mehr als eineinhalb Jahren hin. Bei Großbauten musste daher zunächst auf ausreichenden Vorrat gebrannt werden, ehe mit dem Bauwerk begonnen wurde. Zudem war eine große Zahl von Handwerkern und Hilfskräften notwendig. Trotz dieser ungemein wichtigen, zugleich aber harten und langwierigen Arbeit, sind die Ziegler, nach allem was wir wissen, mit ihrem Metier nicht reich geworden. Im Gegenteil, sie galten als arme Leute.


Kennt man nun diesen harten Arbeitsalltag und versetzt man sich zudem noch zurück in die abergläubische Zeit des 14. bis 17. Jahrhunderts, so nimmt es einen gar nicht mehr Wunder, wenn die Ziegler einzelne Ziegel ihrer Tagesarbeit mit besonderen Motiven dekorierten: mit dem Finger, einem Kamm oder einem anderen spitzen Gegenstand wurden Ornamente, Jahreszahlen, Zeichen und auch Texte hineingeritzt.


Da findet man dann: Inschriften (Sprüche, Namen, Buchstaben, Zahlen), Zeichnungen (Menschen, Tiere, Pflanzen, Wappen, Sterne, Sonnen), Symbole (zauberische und religiöse Abwehr- und Heilszeichen, christliche Symbole), Verzierungen (Ornamente, Dekore, geometrische Muster), Abdrucke (von Hand und Fuß, auch von Tieren, Kritzeleien von Kindern).


In der Annahme, die so dekorierten Ziegel seien die letzten Ziegel des Tagewerks eines Zieglers gewesen, hat sich für dafür der Begriff "Feierabend-Ziegel" eingebürgert. Die Tradition der Feierabend-Ziegel hat sich bis ins 19. Jahrhundert erhalten. Erst die industriell hergestellten Ziegel verdrängten diese Tradition im Laufe des 19. Jahrhunderts vollständig.

Kommen wir zu den Plieninger Feierabend-Ziegeln. Der Lindenplatz in Plieningen (früher „Am Rössle“) an der Kreuzung Goez-, Mauren-, Breitenstein-, Paracelsus- und Lupinenstraße, war seit dem 16. Jahrhundert ein Haltepunkt der aufsteigenden Straße von der Körschbrücke zur Plieninger Kirche. Am Platz waren Gasthäuser, Werkstätten, landwirtschaftliche Betriebe und Wohnhäuser.

Einige der Gebäude rund um den Lindenplatz wurden im 19. und 20. Jahrhundert abgerissen oder neu eingedeckt. Unter den dabei abgeräumten Ziegeln befanden sich auch Feierabendziegel, die vom heimat- und traditionsverbunden Ehepaar Charlotte und Fritz Schumacher gesammelt und bewahrt worden sind. Darunter sind Stücke vom 17. bis zum 19. Jahrhundert.

Ziel der kleinen Ausstellung im Plieninger Heimatmuseum dieser ist es, an die lange Tradition der handgefertigten Dachziegel, an die - für uns heutige – doch etwas wundersamen Feierabend-Ziegel und natürlich auch an das historische Wachsen des Plieninger Ortskerns zu erinnern.


Die in diesem Jahr neu gegründete Abteilung Ortsgeschichte im Bürgerverein Plieningen, die für diese Ausstellung verantwortlich zeichnet, stellt sich damit erstmals der Öffentlichkeit vor. Neben den anderen Mitgliedern in dieser Gruppe von ortsgeschichtlich Interessierten, waren im Team für diese spezielle Ausstellung aktiv: Frau Bezirksbeirätin Magdalene Straile (die Initiatorin der Projektgruppe Heimatmuseum), Frau Charlotte Schumacher, die Vorsitzende des Bürgervereins Plieningen, Frau Dr. Sabine Reith, Frau Gertrud Steckroth, Herr Bezirksbeirat Michael Wörner und Herr Tilo Schad.


Wir danken dem Bürgerverein Plieningen und dem "Museum für Stuttgart / Heimatmuseum Plieningen" für die Unterstützung dieser kleinen Ausstellung.


Prof. Dr. Ulrich Fellmeth, Abteilung Ortsgeschichte